Baltique | Klaus-H. Petersen, Klaus-H. Peters

Planungsvorlauf entscheidet

Architekt und Oberbauleiter im Interview

Serielle Vorfertigung im Fokus

  • Autorin: Tina Barankay
  • Fotos: 3D-Visualisierungen: dreidesign.com / Edward Greiner / Nele Martensen / © PORR

Bauvorhaben entstehen heute unter einem immensen wirtschaftlichen Druck. Es bedarf schnell umsetzbarer, finanzierbarer und funktionaler Lösungen in hoher Ausführungsqualität. Wesentliche Kosten- und Zeitvorteile durch serielle Vorfertigung ergeben sich vor allem im Bereich der Technischen Gebäudeausrüstung: So wie in Travemünde, wo mit dem Baltique ein Stadtquartier mit rund 550 vorgefertigten Installationswänden von TECE entsteht. Klaus-H. Petersen, Geschäftsführer des für den Entwurf zuständigen Büros ppp architekten + stadtplaner gmbh, und Klaus-Hinrich Peters, Oberbauleiter des Generalunternehmers PORR, berichten von ihren Erfahrungen mit dem seriellen und modularen Bauen.

Der Architekt

Dieses Bild zeigt Klaus-H.-Petersen, Geschäftsführer von ppp architekten + stadtplaner
Klaus-H. Petersen, Geschäftsführer der ppp architekten + stadtplaner gmbH

Architekturplanung steht in einem Spannungsverhältnis zwischen Kreativität und den Anforderungen der Bauherren. Sehen Sie Chancen für serielles, modulares Bauen und die TGA?

Das ist immer eine Frage, über welche Module wir sprechen. Je größer die modularen Bauteile, desto mehr architektonische Einschränkungen sind damit verbunden. Wenn wir aber auf kleinerer Ebene anset­zen – beispielsweise bei Wänden, Decken, technischen Modulen –, bietet serielle Vorfertigung uns Architekten durchaus Vorteile, sofern eine atmosphärische Raum­gestaltung dadurch nicht behindert wird.

Wie nutzen Sie diese Vorteile konkret?

Wir arbeiten etwa mit Fertigteiltreppen, vorgefertigten Deckenelementen und Holzrahmenwänden für Außen­fassaden – gerade in der Sanierung, wo zeitliche Aspekte eine große Rolle spielen. Wir haben aber auch gute Erfahrungen mit vorgefertigten Badzellen gesammelt, beispielsweise beim Bau der Mühlenbergklinik in Bad Malente. Hier wurde im Vorfeld ein komplettes Badmodul von uns entwickelt, das praktisch alles schon beinhaltet: von technischen Installationen bis hin zu Wänden, Fliesen und Spiegeln. Vor Ort wurden die Module einfach eingekrant, wenn ein Stockwerk fertig­ gestellt war. Das ist ein großer Vorteil, da etliche Ge­werke entfallen, die sonst auf der Baustelle zu koordi­nieren wären.

Wie verändern sich dadurch Ihre Planungs- und Arbeitsabläufe?

Wenn der Generalunternehmer mit Raumzellen arbei­ten soll, dann muss die Entwurfsplanung darauf abge­stellt sein, dass man möglichst früh vorfertigen kann. Entscheidend ist also ein ausreichender Planungsvor­lauf. Im Grunde gilt es, die Leistungsphasen (LP) nicht klassisch hintereinander zu denken, sondern den Hochbau und die technischen Gewerke parallel zu planen, sodass schon ab LP 2 die richtigen Weichen gestellt werden bzw. Vorgriffe auf die tra­ditionell nachgelagerten Abläufe erfolgen.

Inwiefern ist es sinnvoll, serielle und modulare Lösungen in konventionellen Ausschreibungen standardmäßig anzubieten?

Bei privaten Ausschreibungen durch Generalunterneh­mer kann ich mir das am wahrscheinlichsten vorstellen, zumal in der freien Vergabe Nebenangebote möglich sind. Im öffentlichen Bauen ist das nahezu unmöglich. Hier müssen Ausschreibungen aus Wettbewerbsgründen auf einer vergleichbaren Grundlage erfolgen, die im Hin blick auf eine konventionelle und eine alternative modulare Umsetzung nicht gegeben ist. Um das zu ändern, wären ein anderes Vergaberecht und generell eine Entbürokratisierung des gesamten Bausektors erforderlich.

Wo liegen Ihrer Meinung nach künftig besondere Potenziale für das serielle und modulare Bauen?

Wenn wir von ganzen Raummodulen sprechen, liegen die Potenziale vermutlich eher im Neubau. Und zwar dann, wenn es gelingt, entsprechende Module sortenrein zu konstruieren, sodass sie im Sinne des kreislaufgerechten Bauens später leicht demontier­- und wiederverwertbar sind. Weitaus größere Potenziale sehe ich aber auf Bauteilebene – etwa in Form von seriell vorgefertigten TGA-­Elementen, mit denen sich häufig Kosten­- und Zeitvorteile erzielen lassen. Ein weiteres Feld bietet die Fassadensanierung, wenn Roh­bauten bestehen bleiben und sich ihre Gebäudehülle strukturell durch einen starken Wiederholungsfaktor auszeichnet, wie es bei vielen Schulbauten der 1970er­ Jahre der Fall ist. Eine serielle Aufarbeitung kann auch in diesem Fall wirtschaftlich und im Sinne von CO₂­ Reduzierung und Kreislaufdenken nachhaltig sein.


Der Generalunternehmer

Dieses Bild zeigt Klaus-Hinrich Peters, Oberbauleiter der PORR GmbH & Co. KGaA Hochbau, Hamburg
Klaus-Hinrich Peters, PORR GmbH & Co. KGaA Hochbau, Hamburg

Welche Rolle spielen die serielle Vorfertigung und der Modulbau in Ihrem beruflichen Alltag?

Auf jeden Fall eine sehr große Rolle: vor allem im Holzbau und hier insbesondere im Bereich der Aufstockung, wenn die Baustelle zeitweise jeglichem Wetter ausgesetzt ist. Es ist daher immer von Vorteil, wenn man die einzelnen Elemente witterungsunabhängig im Werk herstellen und vor Ort in relativ kurzen Montagezeiten verbauen kann – so wie bei einem unserer aktuellen Bauprojekte in Hamburg, bei dem wir ein komplettes Geschoss in Holztafelbauweise erstellen. Das war beim Baltique anders. Hier hatten wir eine Ausführungsplanung bekommen, die nur die Installation vorgefertigter Installationswände beinhaltete. Weitere modular vorgefertigte Bauelemente waren im Entwurf nicht vorgesehen.

Seit Jahren plädieren Experten dafür, bereits im Entwurf die Planung zu modularisieren und vorgefertigte Elemente zu berücksichtigen. Welchen Beitrag können Sie als Generalunternehmer dazu leisten?

Wenn wir in den Entwurf involviert sind, können wir immer vorschlagen, auf eine modulare Bauweise zu- rückzugreifen. Eigentlich fertigen ja alle Gewerke mittlerweile Bauteile vor: Es gibt vorgefertigte Betonwände, vorgefertigte Mauerwerkswände, im Sinne des nachhaltigen und ökologischen Bauens sind Holzfertigelemente sehr nachgefragt. Die Umsetzung muss natürlich baurechtlich geprüft werden: Ist das überhaupt möglich, in welcher Höhe und Etage wird gebaut, ist die Planung mit dem Brandschutz vereinbar? Auch in Bezug auf die Statik kommt man bei einer Aufstockung schnell an Grenzen, da man nicht unbegrenzt Last auf das darunterliegende Geschoss aufbringen kann. Wir planen also von Anfang an die Art der Fertigung mit ein.

Noch immer werden die meisten Projekte nur konventionell ausgeschrieben und umgesetzt: Warum spielen Vorfertigung und Modulbau nach wie vor zu selten eine Rolle?

Ich habe das Gefühl, dass wir uns bereits mitten in einer Umbruchphase befinden. Es gibt immer mehr Modulbau-Projekte, die etwa in Holzbau- oder auch in Hybridbauweise umgesetzt sind – auch, weil die gesetzlichen Grundlagen geschaffen wurden. So durfte man vor zwanzig Jahren beispielsweise maximal zwei übereinanderliegende Geschosse in Holzbauweise errichten, heute sind auch mehrgeschossige Holzbauten möglich. Darüber hinaus müssen sich Projekte aber auch für die serielle Vorfertigung anbieten: Erst wenn man einzelne Elemente vielfach am Bau benötigt, lohnt sich die Vorfertigung: zum Beispiel in Hotels, in denen viele Zimmer in Reihe gleich geschnitten sind.

Könnten Sie das anhand eines Ihrer Projekte näher erläutern?

Vor vielen Jahren war ich am Bau des Jugendcamps der Expo in Hannover beteiligt, und damals haben wir schon mit Holzmodulen gearbeitet. Wie Zigarrenkisten haben wir die fertigen Module samt Fenstern und Türen aneinander- und übereinandergestapelt. In dem Fall hat sich die Modulbauweise wirklich bewährt, um kostengünstigen Wohnraum zu schaffen. In einem Projekt hingegen, in dem jede Wohnung oder auch jedes Badezimmer individuell gestaltet wird, bietet sich der Modulbau vielleicht nur für die Versorgungsschächte an.

3D-Zeichnung von einer im Baltique verbauten, industriell vorgefertigten Installationswand.
So wie in dieser 3D-Zeichnung von einer im Baltique verbauten, industriell vorgefertigten Installationswand zu sehen, führt die blaue Wasserleitung zur im Spülkasten integrierten Hygienespülung, die mit einem regelmäßigen Wasseraustausch Stagnation vorbeugt.

Weitere Informationen zum Projekt Baltique

ppp architekten + stadtplaner gmbh
ppp-architekten.de
Kanalstraße 52, 23552 Lübeck

Das Büro mit Niederlassungen in Lübeck, Hamburg und Hannover beschäftigt Stadtplaner, Architekten, Ingenieure, technisches und kaufmännisches Personal. Es gliedert sich in drei Gesellschaften: die ppp architekten + stadtplaner gmbh, die ppp architekten + generalplaner gmbh und die ppp architekten + ingenieure gmbh.

 

PORR GmbH & Co. KGaA
porr.de
Walter-Gropius-Straße 23, 80807 München

Das Unternehmen beschäftigt in Deutschland rund 2.900 Mitarbeitende und ist unter anderem im Hochbau, Industriebau, Ingenieurbau, Spezialtiefbau, Stahlbau, Tunnelbau sowie im Verkehrswegebau aktiv. Das Portfolio reicht von der Generalplanung bis hin zur schlüsselfertigen Umsetzung.

 

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