„Planung, Ausführung und Umsetzung müssen miteinander entwickelt werden“
- Foto: Nikolas Golsch, JP REB / A. Prinz, J. Stratman, JP REB / L. Dittmar, L. Hanswillemenke, F. Stenmanns
Prof. Dr.-Ing. Jutta Albus ist Architektin und seit 2023 Professorin an der Hochschule Bochum für „Entwerfen und Konstruieren – Nachhaltiges Bauen“, vorher hatte sie die Juniorprofessur „Ressourceneffizientes Bauen“ an der TU Dortmund inne. Schwerpunkt ihrer akademischen Tätigkeit ist die Entwicklung innovativer Planungsmethoden, die durch effiziente Fertigungstechnologien ein hohes gestalterisches Potenzial erreichen. Im Modulbau und der seriellen Vorfertigung sieht sie ökonomische und bautechnische Vorteile gegenüber einer konventionellen Planung und Umsetzung, aber auch einen großen Gestaltungsspielraum.
Serielles, modulares Bauen und Vorfertigung sind Begriffe, die dem industriellen Bauen zugeordnet werden. Damit verbunden ist häufig ein sehr weiter Interpretationsspielraum. Grundsätzlich geht es aber um eine verbesserte Arbeitsausführung, was impliziert, dass durch die Bereitstellung von rationalen, wirtschaftlichen Prozessen eine Verbesserung der Produktivität und Ausführungsqualität erreicht werden kann.
Stand heute
Serielles und modulares Bauen werden daher häufig mit einer gewissen Zweckmäßigkeit und Rentabilität in Verbindung gebracht. Entwicklungen aus der Vergangenheit, unter anderem die Großtafelbauten der 1960er-Jahre oder Wohnsiedlungen aus der Nachkriegszeit, belegen diese Annahmen. Bei vielen der damals entstandenen Gebäude wurden architektonisch-gestalterische Aspekte zugunsten eines zügigen, effizienten Planungs- und Bauablaufs vernachlässigt, weshalb seitens Architektinnen und Architekten sowie Planerinnen und Planern bis heute Vorbehalte gegenüber diesen Lösungsansätzen bestehen.
Die aktuellen Bestrebungen auf sozialpolitischer Ebene, dem Wohnraummangel durch möglichst effiziente, schnelle und kostengünstig umsetzbare Konstruktionsmethoden nachzukommen, werden daher von vielen Planenden angemahnt. Als zusätzliche Hürden nehmen viele die Zusammenarbeit mit (General-)Unternehmen und die Systembauweise als solche wahr: Denn durch die Vereinheitlichung der Konstruktion und bereits definierten Bauteilkomponenten scheinen architektonische Flexibilität und gestalterische Freiheit nur sehr eingeschränkt umsetzbar zu sein. Offensichtliche Potenziale serieller oder modularer Bauweisen, die außer wirtschaftlichen Vorteilen und einer verbesserten Ausführungsqualität auch ökologische Effekte wie z. B. einen kontrollierten Materialeinsatz und Ressourcenverbrauch mit sich bringen, bleiben hingegen häufig unerkannt.
Die Einbindung aller Akteure von Beginn an ergibt viele Möglichkeiten
Potenziale des seriellen und modularen Bauens
Durch eine intensive Auseinandersetzung mit seriellen und modularen Bauweisen bin ich zu der Auffassung gekommen, dass aufgrund der vielschichtigen und komplexen Anforderungen heutiger Bauaufgaben ein dringendes Umdenken erforderlich ist. Planung, Ausführung und Umsetzung können zeitlich nicht unabhängig voneinander betrachtet werden, sondern stehen schon zu Beginn einer Bauaufgabe miteinander in Beziehung und müssen deshalb auch miteinander entwickelt werden. Dabei können systematisierte Planungsstrategien eine große Hilfe sein, die neben ökonomischen und bautechnischen Vorteilen gleichzeitig einen großen Spielraum für die architektonische Gestalt mit sich bringen.
Mit Blick auf das immer noch sehr traditionelle Geflecht am Bau sehe ich deutliche Effizienzpotenziale, wenn sich die häufig noch sehr konventionellen Abläufe zu einer gewerkeübergreifenden Planungs- und Ausführungsidee weiterentwickeln. Diese zeichnet sich dadurch aus, dass sie einen kontinuierlichen Prozessablauf gewährleistet, der unabdingbar eine Optimierung des Zeit- und Kostenrahmens einer Bauaufgabe herbeiführt. Gleichzeitig verbessert sich die Qualität in der Herstellung und Ausführung, und die einheitliche Leistungsabgabe durch ein Unternehmen oder einen Hersteller führt zur Sicherstellung eines konstanten und kontrollierbaren Planungs- und Bauprozesses.
Veränderte Planung und Ausführung
Dabei erhält die Festsetzung von relevanten Parametern gleich zu Beginn einer Planung einen hohen Stellenwert: Im Vergleich zum konventionellen Bauablauf, bei dem es zum Zeitpunkt der Genehmigungs- oder Werkplanung zur Vertiefung des Arbeitsstandes kommt, verschieben sich die intensiven Planungsphasen beim seriellen und modularen Bauen und bedingen eine frühe Integration aller beteiligten Akteure am Anfang eines Projekts. Durch die Festlegung von konstruktiven, bautechnischen, funktionalen und gestalterischen Zusammenhängen bereits in dieser frühen Phase finden im weiteren Verlauf keine maßgeblichen Änderungen mehr statt, die den festgelegten Kosten- und Zeitrahmen beeinträchtigen, und ein kontinuierlicher Baufortschritt ist gegeben.
Natürlich muss dabei berücksichtigt werden, wie wir bauen und welche Mittel uns zur Verfügung stehen. Durch serielles Bauen wird eine Vereinheitlichung assoziiert, die ganz unterschiedlich interpretiert wird. Grundsätzlich sehe ich große Vorteile in der Vereinheitlichung von Fügeprinzipien und Bauteilaufbauten, die effiziente und fehlerfreie Verbindungen von Komponenten ermöglichen. Dass dabei trotzdem Architektur gestaltet und eine angemessene Varianz erreicht werden kann, erfordert eine kreative Auseinandersetzung seitens der Planenden. In Zusammenarbeit mit herstellenden Unternehmen bin ich sicher, dass eine vielseitige Architektursprache umgesetzt werden kann, die sich deutlich von den Beispielen der 1960er-Jahre unterscheidet.
Umbauen im Kopf
Führen alternative Ansätze wie das serielle und modulare Bauen beispielsweise zu Kostenvorteilen, Qualitäts- steigerungen und einer verbesserten Verfügbarkeit von Fachkräften, findet eine Anpassung bisheriger Abläufe auf fast natürliche Art und Weise statt. Dabei spielt das Verständnis eines transparenten und insbesondere kontinuierlichen Bauablaufs mit wenigen Schnittstellen eine große Rolle. Um die Komplexität der am Bau herrschenden Strukturen ändern oder anpassen zu können, müssen die unterschiedlichen, ineinandergreifenden Ebenen jeweils auf ihre individuellen Anforderungen geprüft, eingeordnet und in Beziehung gesetzt werden.
Durch eine größere Transparenz im gesamten Bauablauf, zu der etwa auch herstellende Unternehmen im Bereich des seriellen oder modularen Bauens beitragen, werden bereits in der frühen Planungsphase Informationen zu Material, Bauweise, Herstellungsverfahren und Montageanforderungen definiert. Gleichzeitig findet eine direkte Einbindung aller Akteure von Beginn an statt, sodass sich Potenziale auf wirtschaftlicher, ökologischer und auch technischer Ebene ergeben, die eine umfassende Optimierung der Gebäudeplanung und -umsetzung gewährleisten. Wichtig dabei ist eine konstante Prüfung der architektonischen Qualität durch die Planenden, damit der „Charakter“ des auf diese Weise Gebauten nicht durch die (industrielle) „Machart“ verloren geht.
Anforderungen an die Wissenschaft und Lehre
Das Verständnis um die unterschiedlichen Anforderungen an eine architektonische Entwicklung und Bauaufgabe steht im Vordergrund der akademischen Tätigkeit. Durch die Fähigkeit, komplexe Zusammenhänge in einem integralen Lösungsansatz zu vereinen, können die vielschichtigen Aspekte einer Planung berücksichtigt und entsprechend ihrer ökologischen, ökonomischen, technischen und gestalterischen Gewichtung entwickelt werden. In diesem Zusammenhang sollte das Lehrkonzept sowohl die Vermittlung von Grundlagenwissen beinhalten als auch den Transfer aus der und in die Praxis ermöglichen, wodurch eine wichtige Schnittstelle entsteht. Dabei sehe ich die Stärke in der Implementierung interdisziplinärer Konzepte und Kooperationen mit Partnern aus der Industrie und Forschung.
Studierende der Juniorprofessur REB / TU Dortmund haben Konzepte für neue Arbeitswelten in Modulbauweise entwickelt, was durch einen Wettbewerb honoriert wurde. Den ersten Platz belegten Alexander Prinz und Julia Stratmann mit ihrem Konzept für den Wohnungsbau in Berlin-Tegel.
In bisherigen Arbeiten sind wir auf vielseitige Art und Weise mit dem Thema des vorgefertigten Bauens umgegangen. Dabei wurden Entwurfskonzepte für unterschiedliche Gebäudetypologien wie z. B. ein modularer Bürobau aus Holz für einen Firmensitz in Penzberg, eine Nachverdichtung durch serielle Bauweisen für unterschiedliche Bestandsszenarien in Wuppertal oder auch eine Wohnbebauung aus Stahl-Raumeinheiten in Berlin untersucht, um diese mittels intensiver planerischer Auseinandersetzung auf architektonischer, materialtechnischer und baukonstruktiver Ebene weiterzuentwickeln. Gleichzeitig haben wir auf analytischer Ebene die Einflussfaktoren des seriellen und modularen Bauens als Kernthemen definiert und exemplarisch an Referenzbeispielen auf Potenziale und Defizite untersucht. Das Interesse, in diesem Themenfeld interdisziplinär zu arbeiten, war sowohl unter den Studierenden als auch bei den beteiligten Unternehmen sehr groß, und die Ergebnisse, die als ganzheitliche Konzepte grundsätzlich immer auch im Themenbereich der Nachhaltigkeit verankert wurden, waren überaus zufriedenstellend.
Um eine zukunftsfähige Entwicklung dieser Art des Bauens zu gewährleisten, müssen die Potenziale und Möglichkeiten bereits im Studium am besten durch die Vermittlung von entsprechenden Lehrinhalten aufgezeigt werden. Auch die Umsetzung guter architektonischer Beispiele trägt dazu bei, eine höhere Akzeptanz sowohl unter den Planenden als auch in der Gesellschaft zu schaffen. Dabei sollte integrales Denken geschärft und der Schwerpunkt einer nachhaltigen, ressourceneffizienten Architekturlehre, die durch sinnvollen Materialeinsatz und mittels optimierter technologischer Planungsprozesse dem aktuellen Diskurs von Architektur und gebautem Raum entspricht, gesetzt werden.